„Die Menschen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, für andere da zu sein, brauchen volle politische Unterstützung“
Sozialpolitisches Sommergespräch mit Maximilian Böltl zum Fachkräftemangel
Beim zweiten Sozialpolitischen Sommergespräch diskutierten Expert*innen der Diakonie mit Landtagskandidat und Bürgermeister Maximilian Böltl (CSU). Zentrale Frage: Welche Lösungsvorschläge gibt es für den Fachkräftemangel?
Bei ihrem Sozialpolitischen Sommergespräch in Haar diskutierten Expert*innen der Diakonie München und Oberbayern mit Kirchheims Bürgermeister und CSU-Landtagskandidat Maximilian Böltl.
Das Gespräch fand in den neu eröffneten Jugendhilfeangeboten der Diakonie München und Oberbayern in unmittelbarer Nachbarschaft der Jesuskirche statt. Entsprechend rückten Themen aus den Bereichen Jugendhilfe und Kindertagesbetreuung verstärkt in den Fokus.
Ein Thema, das die Diakonie-Expert*innen Volker Hausdorf (Geschäftsbereich Kinder, Jugend & Familie) und Anja Erndtmann (Kinderhilfe Oberland) besonders beschäftigt, ist der Fachkräftemangel.
"Der Deutsche Städtetag prognostiziert bis 2030 rund 230.000 offene Stellen allein in der Kindertages- und Ganztagsbetreuung", so Hausdorf, der den Geschäftsbereich Kinder, Jugend & Familie leitet. Dies habe enorme Auswirkungen auf die Hilfen zur Erziehung.
Keine Abstriche beim Kinderschutz
"Wir dürfen beim Kinderschutz keine Abstriche machen", sagte Hausdorf bei dem Gespräch. "Junge Menschen brauchen im Rahmen des Aufwachsens Verlässlichkeit, doch aufgrund des Fachkräftemangels treffen sie und ihre Familien zunehmend auf hochbelastete Mitarbeitende – zumal viele Jugendhilfeangebote 24/7, also rund um die Uhr, besetzt sein müssen."
Hier seien zahlreiche Maßnahmen erforderlich. "Es muss leichter werden, Beschäftigte mit anderen beruflichen Qualifikationen, zum Beispiel Psycholog*innen in den pädagogischen Wohngruppen einzusetzen." Hier sei konkret die Heimaufsicht gefordert, so Hausdorf. "Nach meiner Einschätzung sind einige andere Bundesländer in diesem Punkt liberaler als Bayern", berichtete der Sozialpädagoge. Wichtig sei auch die (Nach-)Qualifizierung von Quereinsteiger*innen bei gleichzeitiger schrittweiser Anerkennung als Fachkraft.
Verbesserungen forderte er auch bei der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse und bei den bisherigen Ausbildungskapazitäten im Freistaat. "Wir brauchen dringend den Auf- und Ausbau von dualen Studienplätzen und Teilzeitstudiengängen im Bereich der Sozialen Arbeit", so Hausdorf.
"Wer will denn schon immer auf Kante nähen?"
Anja Erndtmann, Geschäftsführerin der Kinderhilfe Oberland, die ebenfalls zur Diakonie München und Oberbayern gehört, berichtete von Herausforderungen im Bereich der Kindertagesbetreuung. "Es gibt eine Finanzierungslücke", so Erndtmann. Das BayKiBiG, das in Bayern die Finanzierung der Kindertagesbetreuung regle, teile die Kosten je zur Hälfte zwischen Freistaat und Kommunen auf. "Wenn es hier einen höheren Bedarf gibt, tragen die Kommunen die Kosten", erklärte Erndtmann. So komme es zu unterschiedlichen Leveln in der Betreuungsqualität, weil einige Kommunen in einen besseren Betreuungsschlüssel investieren, andere dies sich aber nicht leisten können oder wollen.
Ein besserer Betreuungsschlüssel sei aber nicht nur für die Kinder wichtig, sondern auch um Fachkräfte zu gewinnen. "Wer will denn schon immer auf Kante nähen? Will ich mir als Erzieher*in morgens das Trinken verkneifen, aus Sorge ich müsste auf die Toilette gehen und dafür womöglich Kinder allein lassen? Sicher nicht!", schilderte Erndtmann die Sorgen von Erzieher*innen.
Wohnraumoffensive für den Großraum München
Maximilian Böltl kann die Herausforderungen, denen sich die Träger in Zeiten des Fachkräftemangels stellen müssen, sehr gut nachvollziehen. Als Bürgermeister trägt er zum Beispiel die Verantwortung für verschiedene Kitas und ein kommunales Pflegeheim. Diese Perspektive aus der Praxis vor Ort wolle er auch in die Landespolitik einbringen.
"Wir haben nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern insgesamt einen Arbeitskräftemangel in allen Branchen", betonte der CSU-Politiker. "Unser Ziel als Kommune ist eine Vollversorgung im Kita-Bereich. Räumlich ist das kaum ein Problem. Die Gebäude zu bauen ist der einfachere Teil. Die Hauptaufgabe ist, dass wir gemeinsam Personal finden. Wir schaffen das bei uns auch, indem wir kontinuierlich bezahlbaren Wohnraum mitanbieten. Davon brauchen wir im Großraum München mit einer Offensive deutlich mehr!", so Böltl.
Zudem sei es wichtig, Fachkräfte in den Kitas an anderer Stelle mehr zu entlasten, damit sie sich auf ihre eigentliche pädagogische Arbeit konzentrieren können. Der Freistaat fördere künftig zum Beispiel mehr als doppelt so viele Assistenzstellen wie bisher. Für echte Lösungen seien auch eine Bürokratie-Bremse und mehr Flexibilität gefragt. "In Kirchheim haben wir zum Beispiel Springerstellen auf kommunaler Ebene geschaffen, die das Kita-Personal aller Träger entlasten."
Böltl fasst zusammen: "Die Menschen, die es sich zur Lebensaufgabe gemacht haben, für andere da zu sein, brauchen volle politische Unterstützung."
Diakonie München und Oberbayern - Innere Mission München e.V.
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